Mit der Transsib zum Baikalsee 2004

Ein Reisbericht von Isolde und Hans Pritzkow

Endlich ist es soweit, wir stehen am Jaroslawler Bahnhof in Moskau und warten, dass es 23.24 Uhr wird, damit uns der Zug nach Osten tragen kann. Der Zug ist der Firmenzug Nr. 10, Moskau-Irkutsk und wir, das sind Andrea, Martina, Isi, Annett, Ingo und ich – Hans, der Chronist und Verursacher dieser Fahrt.
Begonnen hatte alles fast drei Jahre vorher, als unsere Firma Marktkauf sich entschlossen hatte, eine grün-gelbe Filiale am Stadtrand von Moskau zu eröffnen und wir, außer Ingo’s Frau Annett und meiner Frau Isi, die für diese Reise aus Deutschland „eingeflogen wurden“, hatten das Glück diese interessante und spannende Aufgabe mitzulösen. Und nun stehen wir am Bahnhof und erfüllen uns den Wunsch eine schöne Reise in Russland zu machen.

Wie vieles in Russland ist die logistische Vorbereitung schwierig und ohne die Hilfe unserer russischen Kolleginnen wäre manches noch schwieriger geworden. Es gilt z.B. immer noch der Grundsatz, alle Fahrkarten der Transsib müssen exakt 45 Tage vor Abfahrt ab früh 8.00 Uhr bestellt und wenn möglich noch am gleichen Tag abgeholt und bezahlt werden. Aber nicht nur die Züge der Transsib sind terminlich genau zu bestellen, auch Hotel und Rückflug müssen ähnlich bestellt und angezahlt werden. Da wir nicht wussten, wie uns 4 Nächte und 3 Tage in der transsibirischen Eisenbahn bekommen werden, hatten wir ein komfortables Hotel, das vollständig aus Rundbalken erbaute „Terema“ per Internet ausgesucht und telefonisch bestellt. Die fällige 30% Anzahlung wurde per Postanweisung übersandt.

Am 15.04.2004 pünktlich auf die Minute 23.24 Uhr rollte unser Zug aus dem Bahnhof in Richtung Osten.
Wir hatten 3 nebeneinanderliegende 2 Bett-Abteile belegt und unser Waggon war glücklicherweise nicht vollständig ausgebucht. Das machte sich gut, weil damit Wartezeiten an der Toilette/Waschraum vermieden wurden.
Unsere Abteile waren fertiggemacht, mit Bettwäsche versehen und zum Schlafen bereit. Also noch ein kleiner Schwatz, je nach Geschmack ein Baltika- Nr. 3 oder ein Stück Schokolade und die erste Nacht in der Transsib hatte begonnen.
Trotz der Fahrgeräusche haben wir gut geschlafen und die kurzen Zwischenhalte, die jeweils 5-20 Min. dauerten nahmen wir nur im „verschlafenen Unterbewußtsein“ wahr.
Bei den Zeitangaben gibt es eine Besonderheit: alle Bahnhofsuhren, die sich an der Strecke befinden, zeigen die Moskauer Zeit an, alle anderen die Ortszeit. Auf der Strecke Moskau-Irkutsk werden insgesamt 5 Zeitzonen durchfahren.

Das Waschen, Zähneputzen und Rasieren im schaukelnden Zug ist nicht ganz einfach, deshalb haben wir Männer auf die Rasur während der Fahrt einfach verzichtet. Auch sind die zwei Toiletten-/Waschräume je Wagen sind knapp bemessen und ähnlich der Ausstattung in unseren Autobahnparkplatztoiletten mit WC und Waschbecken aus Edelstahl ausgerüstet.
Diese Waschräume wurden jeden Tag mehrmals gereinigt, wie überhaupt der Sauberkeit und Ordnung große Aufmerksamkeit geschenkt wurde, so wurde auch der Teppichbelag im Gang vor unseren Abteilen täglich gewechselt. Dafür sind im Waggon die Zugbegleiter verantwortlich.
Im Gegensatz zu anderen Berichten waren unsere beiden Zugbegleiterinnen sehr freundlich und hilfsbreit, immer war ausreichend heißes Teewasser und Gebäck vorhanden. Bei längeren Halten auf den Bahnhöfen (ca. 20 Min.) putzten sie in ihren schmucken Uniformen als erstes die außen befindlichen Griffstangen am Waggon und passten dann genau auf, dass alle Reisenden zur vorgeschriebenen Zeit wieder im Abteil waren. Es ist deshalb fast unmöglich auf einer Reise mit der Transsib „wegzukommen“ oder den Anschluß zu verpassen.
Wir nutzten die Fahrtunterbrechungen hauptsächlich für den Einkauf von eingelegten Gurken, gesalzenen Fischen und Backwerk bei den fliegenden Händlern auf dem Bahnsteig, aber wir bewunderten auch die teilweise prachtvollen Bahnhofsgebäude und genossen das Flair auf den Bahnsteigen.
Besonders die gewaltigen Elektrolokomotiven unseres ca. 600m langen Zuges hatten mein Interesse geweckt. Bei der Überquerung des Urals spannte man, um die Steigungen bewältigen zu können, zwei vor den Zug, die dann mit ihren mehreren tausend PS starken Motoren dieser Aufgabe auch gerecht wurden.
Bei einem Gespräch mit dem Lokführer ergab sich für uns die Gelegenheit das Innere des Führerstandes anzusehen und über den Antrieb, die Steuerung u. a. zu sprechen.
Natürlich durfte ein Besuch im Speisewagen nicht fehlen und wir waren angenehm überrascht über das vielfältige und schmackhafte Angebot der Speisen zu moderaten Preisen.
Sehr hilfreich war, dass wir alle mehr oder weniger mit der russischen Sprache vertraut waren und wenn auch nicht perfekt, aber stets bemüht waren, unsere Kenntnisse anzuwenden und kamen so mit einigen Reisenden ins Gespräch.
Die obligatorische Bekleidung während der Fahrt ist immer noch für die meisten russischen Reisenden der dunkle Jogginganzug, offensichtlich bequem und unkonventionell zu tragen.

Eine mehrtätige Fahrt mit der Eisenbahn übt auch in unserer Zeit, die zum großen Teil von Flugreisen dominiert wird, eine große Faszination aus und ist keineswegs langweilig.
Die Fahrt durch weites flaches Land, durch Steppe und Birkenwälder über Hunderte von Kilometern schnurgerade in Richtung Osten lies viel Raum für Gespräche, zum Lesen und Nachdenken, oder einfach aus dem Fenster schauen, zu. Nur schade, den weißen Obelisk, der die Grenze zwischen Europa und Asien markiert, haben wir einfach verschlafen.

Nach 80 Std. Fahrt kamen wir am Montagmorgen 10.00 Uhr Ortszeit wohlbehalten in Irkutsk an. Nach kurzem Handeln waren wir uns mit dem Fahrer eines Kleinbusses einig. Er brachte uns für 1000 Rubel (knapp 30 Euro) in das 70 km entfernte Listwjanka, unserem endgültigen Ziel, direkt am Ufer des Baikalsees gelegen, dort wo die Angara aus dem Baikal gespeist wird.
Unser Hotel war ein schöner Bau aus naturbelassenen Rundstämmen gebaut, so wie fast alle Häuser in den Dörfern um den Baikal aus Holz errichtet sind und von den Balkonen hatten wir eine herrliche Sicht auf den zugefrorenen Baikalsee.
Der Nachmittag und die nächsten Tage waren ausgefüllt mit dem Kennenlernen von Land und Leuten. So bummelten wir durch den 5 km langen Ort, atmeten die klare saubere Luft, erfreuten uns an den farbigen Holzhäuser und ihren kläffenden Wächtern, besichtigten die berühmte Nikolai-Kirche, die im Zusammenhang mit steigenden Wasserspiegel (jedes Jahr verbreitert der See sich um 2 cm) einfach umgesetzt wurde und wanderten hoch zum Cerkovs-Felsen, um von dort eine wunderschöne Aussicht auf das Angara-Tal und dem Baikal zu genießen.
Beim Essen der frisch geräucherten Fische (Olm) auf dem Markt kam man schnell mit Einheimischen ins Gespräch. Es herrscht im allgemeinen eine natürliche, aufgeschlossene Atmosphäre, die das Reisen und den Aufenthalt in Sibirien sehr angenehm machen.
Einen Tag hatten wir einen Ausflug nach Irkutsk gewidmet, dabei haben uns besonders die Stadtviertel mit den alten Holzhäusern, die den Großbrand 1879 überlebten (über 3000 Häuser wurden damals Opfer der Flammen), sehr beeindruckt. Diese Häuser, meist 2-stöckig, wurden mit großen handwerklichen Fertigkeiten kunstvoll errichtet. Leider ist offensichtlich für die Restaurierung der erhaltenswerten Häuser zu wenig Geld vorhanden. Aber der Beginn der Instandsetzung lässt für die nächsten Jahre hoffen.
Sehenswert fanden wir auch die Fußgängerzone mit ihren historisch interessanten Gebäuden aus dem vorigen Jahrhundert, sie soll übrigens die einzige Fußgängerzone in Sibirien sein, und die Markthalle.
Ein anderer Ausflug führte uns in das Sibirische Holzkunstmuseum nach Talzi, am Ufer der Angara, ca.25 km von Listwjanka entfernt. In diesem Museum wurde ein fast komplettes mittelalterliches Dorf aufgebaut und lässt Einblicke in das Leben der Bewohner Sibiriens und deren handwerkliche Fertigkeiten zu.
Natürlich durfte auch ein (organisierter) Ausflug in die Taiga nicht fehlen: So ging es mit der Fähre über die Angara nach Port Baikal, es folgte eine kleine Wanderung entlang des Schienenstranges, danach Kochen am offenen Feuer und die Eisdicke des Baikalsees „testen“.
Viel zu schnell vergingen die Tage, die angefüllt waren mit interessanten Erlebnissen und Begegnungen.
Die Abreise rückte näher und am Sonnabend, den 24.4. sollte uns das Taxi 5.00Uhr am Morgen abholen –aber es kam keiner. Niemand, weder die Mitarbeiter des Hotels, noch wir waren sonderlich überrascht und nach einer guten halben Stunde Telefonierens der Dame an der Rezeption konnte die Fahrt zum Flughafen Irkutsk mit einer Stunde Verspätung losgehen. Der Fahrer versuchte die verlorene Zeit durch „flottes russisches Fahren“ wieder einzuholen, das gelang nicht vollständig, war aber ausreichend, um unseren Flieger zu erreichen.
Und die TU 154 brachte uns in reichlich 5 Std. wieder gut und voller neuer Eindrücke nach Moskau zurück.

Kostenübersicht:

Pro Person ab Moskau:
ca. 300 Euro Transsib Moskau-Irkutsk
ca. 120 Euro Flug Irkutsk-Moskau
ca. 250 Dollar Hotel „Termed“ in Listwjanka (5 Nächte je 50 Dollar)
ca. 80 Euro Essen/Eintritt/Taxi/Bus/Straßenbahn

Gesamt je Peron ca. 700-750 Euro zum Stand April 2004.

Empfehlenswerte Links:

www.transsib.de (Übersichten, Fahrpläne, allg. Hinweise)
www.abenteuer-transsibirien.de (Hinweise zur Planung)
www.trans-sib.de (Informationen, Fahrpläne, Fotogalerie)