Seit vielen Jahren verbringen wir, zumindest einen Teil unseres Urlaubs, in Irland. Dieses Land am Rande Europas mit seiner wechselvollen, oft auch bitteren Geschichte hat uns in seinen Bann gezogen. Neben der eigenwilligen, grünen Landschaft und dem milden Klima und seinen sprichwörtlichen alles durchnässenden Nieselregen haben vor allem die Menschen, die wir in Irland kennengelernt haben, uns dazu gebracht immer wieder auf die grüne Insel zurückzukehren.
Besonders hat es uns die Westküste angetan. Vom Süden zwischen Killarny, Cork, Skibberen and Bantry mit fast mediteranem Klima bis hinauf in den Norden, zum Co. Donegal, auch das Alaska Irlands genannt, mit rauem, unwirtlichen Wetter, bietet die Westküste eine beeindruckende Vielfalt an Landschaften, denen aber eins gemeinsam ist: der Einfluß des Meeres auf alle Bereiche – Tier- und Pflanzenwelt, Wirtschaft und menschliche Entwicklung.
Unser besonderes Interesse gilt der Region um die Shannonmündung. Wo der Shannon in den Atlantik mündet, gibt es die noch einsamen Klippen, die zu Wanderungen einladen, so zwischen Kilkee und Loop Head, der äußersten Spitze der Halbinsel, auf der ein Leuchtturm das Ende des Landes anzeigt. Und es gibt die einsamen kilometerlangen Sandstrände in der Nähe von Doonbeg. Es gibt das Seebad Kilkee, das Farmerstädtchen Kilrush mit dem Tiermarkt und einer Marina für Boote. Es gibt das aufstrebende Ennis, die Hauptstadt des Co. Clare und dem internationalen Flughafen Shannon. Und die bedeutende Handels-und Industriestadt Limerick, deren Entwicklung in die ganze Shannonregion ausstrahlt. Auf kleinstem Raum ist das klischeebehaftete Bilderbuchirland und das sich rasend schnell entwickelnde Irland, mit dem höchsten Wirtschaftwachstum in Europa, vereint. Es ist unheimlich spannend, das mitzuerleben, auch wenn es nur als Urlauber ist.
Und hier beginnt unsere Geschichte, die Geschichte von zwei alten Schulfreunden, die sich kurz vor ihrem sechzigsten Geburtstag einen Traum erfüllen wollten und im Mai 2005 einen Kletterweg in den Klippen des Co. Clare anlegten. Die zwei alten Freunde, das sind Peter Kohbach und Hans Pritzkow, die ihre Kletterlaufbahn 1961 in der Sächsischen Schweiz begannen. Die Idee “Klettern in Irland“ ist schon paar Jahre alt, aber immer gab es echte und vorgeschobene Gründe, die verhinderten, diesen Gedanken in die Tat umzusetzen.
Natürlich sind auch ihre Frauen Gabi und Isi mit von der Partie und auch die Ausrüstung ist komplett; die Standardkletterausrüstung wird für diese Tour durch eine HILTI-Schlagbohrmaschine, Bohrhaken und Abseilösen ergänzt.
Bekannt sind die Felsen “Cliffs of Moher“, deren Wandflucht bis zu 200 Höhenmeter beträgt. Doch das ist nicht unser Kletterziel, zumal es dort vor kurzem einen tödlichen Kletterunfall gab.
Objektiv ungefährlich hingegen ist unser Kletterziel bei der Ortschaft Kilbaha, ca. 80 km südwestlich von den genannten Cliffs.
Unser Ausgangspunkt ist Kilkee, ein kleiner, beschaulicher Badeort an der Atlantikküste. Doch in den Sommermonaten, vor allem im Juli und August ist es mit der Ruhe und Beschaulichkeit vorbei, dann ertrinkt das Städtchen förmlich in Autos und Touristen, aber auch zu dieser Zeit überwiegen die einheimischen irischen Besucher und nur wenige Engländer, Niederländer und Deutsche fahren bis zur Spitze dieser Halbinsel, Loop Head, an der Shannonmündung.
Und genau hier haben wir , den nach unserem Wissen ersten Kletterweg an der Steilküste im Co. Clare eröffnet.
Die Kletterklippe ist gut und ohne langen Fußmarsch zu erreichen. Wir verlassen Kilkee mit dem Auto auf der Straße, die mit einem brauen Schild mit der Aufschrift “Loop drive“ bezeichnet ist. Wir sehen aber auch den Weigweiser “scenic drive“. Die so doppelt beschilderte Ausfallstraße beginnt am Westende, des vor allem bei Ebbe breiten und weiten Sandstrandes und zweigt an dieser Stelle in Richtung Westen von der Strandstraße ab. Nach wenigen Häusern verlassen wir den Ort und das beeindruckende grandiose Panorama der Steilküste nimmt uns den Atem. Besonders bei Sonnenschein und kräftigem Wind, wenn die Wellen weiße Schaumkronen aufgesetzt haben und hoch gegen die Klippen schlagen.
Nach ungefähr 2 km erreichen wir eine Straßengabelung und folgen der in Fahrtrichtung rechten küstennahen Straße, um nach weiteren 4 km einen neu angelegten Parkplatz zu erreichen.
Dieser Parkplatz wird hauptsächlich von den Anglern genutzt, die an dieser Stelle der Steilküste “rockfishing“ betreiben und dabei nicht selten 3, 4 oder gar 5 Makrelen auf ein Mal am Haken haben. Vor allem in den Monaten Juli bis September füllen die Angler so geschwind die Tiefkühltruhen ihrer Familien bis zum Überlaufen mit Fisch.
Doch leider traf das nicht für uns zu, Mitte Mai ist einfach noch zu früh, so mußten wir nach ca. 4 Stunden angeln, die einzige erbeutete Makrele in vier Stücke teilen – sie hat geschmeckt, aber satt geworden ist keiner.
Auch wir nutzen den Parkplatz und wandern noch ca. 800 m entlang der Küstenstraße, am Beginn der großen geschwungenen Platten steigen wir den grasbewachsenen Steilhang bis zum Wasser hinab und erreichen gleich zu Beginn dieser Klippe den Kletterweg.
Unser Ziel optisch ganz markant – ein geschwungener Felsrücken, der wie ein Kurvenlineal unten steil, sich nach oben immer mehr neigt und ganz deutlich von den benachbarten senkrechten Felsen unterscheidet. Umrahmt wird die Felswand von weichen Grasflächen, deren Blütenpracht sich in dieser Jahreszeit wie ein bunter Teppich ausbreitet. Gegenüber ragt die kleine Felsinsel Bishop’s Isd. aus dem Meer, auf der zahlreiche Vögel ihre Brutstätten haben.
Die Felsoberfläche ist glatt und grifflos. Nicht gleich am ersten Tag waren alle erforderlichen Bohrhaken für diese Kletterroute gesetzt. Insgesamt haben wir 3 Tage gebraucht, um von oben gesichert, die Bohrungen im harten Gestein vorzunehmen und alle Haken zu setzen. Wir wurden bei dieser Arbeit immer wieder von Regenschauern unterbrochen, die das Sandstein-Schiefer-Gestein aalglatt machten. Aber, waren die Regenwolken abgezogen und das Gestein getrocknet, hatten wir trotz mancher Schinderei große Freude am Klettern, besonders am Abend, wenn die Sonne noch hoch am Himmel, aus westlicher Richtung, faszinierend die Klippen anstrahlte und dazu das Geräusch der Brandung, die unter uns an den Felsen schlug.
Außer den angebrachten Bohrhaken hat die Felsoberfläche keine anderen Sicherungsmöglichkeiten zu bieten.
Dann war es soweit und wir konnten unsere erste Route von unten gesichert klettern.
Peter kletterte im Vorstieg und Hans sicherte. Der untere Teil erwies sich als ziemlich schwierig, zumindestens für uns. Zwischen dem 2. und 3. Haken hatte Peter einige Probleme, aber schließlich überwand er “ den inneren Schweinehund “ und es ging zügig weiter. Unsere Frauen dokumentierten jede Phase mit dem Photoapparat.
Die Kletterroute ist mit 7 Haken, Standplatz und Abseilöse komfortabel abgesichert und wer Reibungskletterei mag, hat sicher seine Freude an dieser Route.
Wir nannten den Weg “The first route“ und er hat die Schwierigkeit engl. 5b, franz. 6a+.
Selbstverständlich wird diese Route nicht die einzige bleiben. Eine zweite ist schon begonnen und leichtere sind im rechten Wandteil möglich. Andere Sektoren mit senkrechten Felsabschnitten haben wir auch schon entdeckt, nun gilt es, diese zu realisieren.
Auch an der westlichsten Spitze, am Loop Head bieten sich die Klippen für Klettereien an, doch zumeist sehr schwierig und ohne natürliche Sicherungsmöglichkeiten. Eine Wanderung an diesem Küstenabschnitt lohnt sich auf jeden Fall. Auch hier säumen farbenprächtige Blumenteppiche die Küste. Ein gewaltiger Felsturm, der auch hier dem Ufer vorgelagert ist, wird von der wilden Brandung umtost und das Wasser spritzt bis zu 30 m in die Höhe. Ein Spiel, dem man stundenlang zuschauen könnte. Und auch auf diesem felsigen Eiland haben auf Vorsprüngen und Höhlen zahlreiche Vogelarten Brutkolonien mit hunderten von Vögeln gebildet.
Mit dieser Tour ging eine schöne, erlebnisreiche Woche, angefüllt mit Wanderungen und Klettereien zu Ende und am letzten Abend feierten wir den Abschied am Torffeuer mit Rotwein in einer alten Fischerhütte.
Entfernungen und Kosten:
1.000 km Fahrstrecke Dresden – Köln – Calais
600 km Fahrstrecke Dover – Londoner Ring – Reading – Bristol – Pembroke
300 km Fahrstrecke Rosslaire – Waterford – Limerick – Ennis – Kilrush – Kilkee – Kilbaha
560,- Euro Fährpreis Vorsaison Pkw mit kleinem Anhänger bis 3 m
Calais-Dover/ Pembroke-Rosslaire und zurück
10,- bis 20,- Euro/Nacht Camping 2 Personen, Zelt, Pkw
30,- bis 60,- Euro/Nacht B&B
Lebensmittel in Supermärkten ca. 15 – 20% teurer als in Deutschland